Dienstag, März 07, 2006

Syriana (Stephen Gaghan)

Syriana habe ich am Abend mit Daniela gesehen. Daniela ist eine wirkliche Kinogängerin, die keine Meinung ohne Begründung akzeptiert. Wir haben uns hinterher noch ins Whool Shed gesetzt, Bier, Coke und Burger zu uns genommen und über den Film geredet. Ihr war er in der Erzählhaltung zu amerikanisch, zu sehr an gesellschaftlichen Typen wie Familie, Liebe und Helden orientiert. Ich denke jedoch, dass sich der Film, mit all der Komplexität, die uns stellenweise überfordert hat, diese Fixpunkte erlauben kann: einerseits, weil sie eben zum großen Ganzen dazugehören (uns wurden ja auch arabische Typen gezeigt) und andererseits als Zugeständnis an die sowieso enttäuschten Sehgewohnheiten des Hollywood gewöhnten Zuschauers. Auch die Überforderung durch den Plot, die schiere Unübersichtlichkeit der Handlung, kann man als Authentizität entgegennehmen. Um das große Bild einer durch Öl und Krieg abgefuckten Weltpoloitik zu verstehen, muss ich gar nicht die Rolle eines jeden kleinen Geheimagenten (George Clooney) verstehen. Denn so ist es eben: jeden Tag werden wir durch die Nachrichten überfordert. Die Leute, die uns bei Reuters die News-Beiträge zusammenschnippeln oder die Tagesschau kommentieren, geben uns einen ganz kleinen Ausschnitt aus der Komplexität der Weltpolitik (ohne, dass sie selber viel mehr wüssten). Und wenn wir hören, dass eine israelische Rakete einen Convoy palestinensischer Fahrzeuge getroffen hat und dabei sechs Leute, darunter den Führer der oder der extremistischen Gruppierung getötet hat, dann können wir nicht wissen, was sich dahinter genau verbirgt. Irgendwie hoffen wir, dass da wieder mal ein Schurke einem anderen den Kopf abgerissen hat. Und irgendwie stimmt das sicher auch. Aber welche zumeist wirtschaftlichen Interessen wirklich dahinter stehen, kann nicht erklärt werden.

Good Night, and Good Luck (George Clooney)

Wie der Meinungsbildungsprozess in den Medien funktioniert und dass man aber nur eine Handvoll integrer Leute braucht, um Dinge aus den Medien heraus zu ändern, zeigt George Clooneys Film Good Night, and Good Luck, den ich gestern im Kino gesehen habe. Es ist ein großartiger Film in schwarz/weiß, ohne viel Handlung, dafür mit einigen Originalaufnahmen von McCarthy und seinen Tribunalen. Der CBS-Fernsehjournalist Edward R. Murrow hatte es in den 50ern mit McCarty aufgenommen und konnte dabei auf seine Leute, ja sogar auf seinen von Werbeeinnahmen abhängigen Chef zählen. Es ist sicher nicht einfach, so einen Stoff kinotauglich und spannend zu machen, aber Grant Heslov (Drehbuch), George Clooney (Drehbuch, Regie) und seinen Schauspielern, besonders David Strathairn, der den strengen, schweigsamen, ewig rauchenden und dabei unbeugsamen Journalisten Murrow spielt, ist das gelungen. Der einzig schlechte Schauspieler in dem ganzen Film war McCarthy selbst. CBS/Murrow schafft es am Ende, dass McCarthy selbst vor ein Tribunal kommt, und sich für seine totalitären Methoden rechtfertigen muss. In einem Interview (Totally Dublin, Februar 2006) sagt Clooney: "We mustn't forget to fight for our personal freedom regardless of how scared we are. It's the obligation of the media to defend these things." Das stimmt schon, ich denke aber, dass seine Perspektive auf die kommerziellen Massenmedien zu optimistisch ist. Ich sehe die Cancen eher in unabhängigen und dezentralisierten Medien, wie sie durch das Internet machbar sind. Es gibt zahllose (kostenlose) Websiten, Blogs oder Mailinglisten, in denen hochklassige Texte gelesen und geschrieben werden können (z.B. Nettime.org). Die einzige Hoffnung sehe ich darin, dass wir unsere Kinder ausreichend bilden, sie zu kritischen Nutzern dieser unabhängigen Medien machen und dass wir uns diesem lächerlichem Brainwash der kommerziellen Massenmedien verweigern. Der Fakt, dass Filme wie Good Night, and Good Luck (Warner Independent Pictures) oder auch Syriana im Kino, also in kommerziellen Massenmedien präsent sind, zeigt, dass mein Pessimismus nicht uneingeschränkt gültig sein kann. Wenn Individuen, die es sich leisten können, es schaffen, solche Diskussionen in die Gesellschaft zu tragen, ist nicht alle Hoffnung verloren. Wir sollten Menschen wie Edward R. Murrow und George Clooney verehren.